Bücher, Psychologie

Angst vor Büchern?

Heute bin ich mal wieder etwas nachdenklicher unterwegs. Ja, es gibt sie zwar angeblich die Angst vor Büchern, die Bibliophobie, aber an der leide ich – glücklicherweise – nicht.

Ich habe manchmal Angst, ein bestimmtes Buch zu lesen.

Nicht weil es ein schaurige Horrorromane sind (die liebe ich, wie ihr vielleicht wisst), sondern weil ich aus irgendeinem Grund Angst davor habe. Manchmal habe ich Angst vor dem Ende und manchmal vor dem Buch an sich. Dabei will ich diese Bücher meistens unbedingt lesen! Und es ist definitiv weder eine Leseflaute, noch gefällt mir das Buch schlecht. Woran liegt das also?

Angst ist ein Gefühl. Besorgnis, Nervosität, erwartete Schäden, erhöhte Alarmbereitschaft. Angst ist evolutionär gesehen vor allem funktional: alle unnötigen Körperfunktionen werden eingestellt, man bereitet sich auf Kampf oder Flucht vor. Menschen haben oftmals Angst vor dem Unbekannten und Angst vor Veränderung. Beschreibt dieser Begriff, was ich fühle? Es fällt mir schwer, selbst in Worte zu fassen, was es ist.

Ich habe Angst, dass die Geschichte vorbei ist.
Das ist ein Phänomen, das mir bei Serien auch schon aufgefallen ist. Ich zögere es oft ziemlich lang hinaus die letzten paar Folgen zu schauen. Sogar bei Lets Plays, Videospielen… Und dann liegt es da unbeendet herum und ich kann mich nicht überwinden, es zu beenden. Warum? Oftmals liebe ich diese Geschichten, das Gefühl beim Lesen/Schauen/Spielen ist irgendwie besonders, unvergleichlich – dann bin ich womöglich in Sorge, dass eine Leere zurückbleibt. Als würde man mit der letzten Seite, der letzten Minute einen guten Freund verlieren. Aus Erfahrung weiß ich, dass ein gutes Ende eine großartige Geschichte oft noch grandioser macht. Selten bleibt wirklich Leere, es ist eher eine Sehnsucht. Nichts hindert mich daran, das Buch erneut zu lesen. Nur der Zauber des ersten Mals ist wohl verschwunden. Manchmal liegen wirklich gute Bücher angelesen bei mir herum, bis ich den Mut habe, endlich weiter mit den Protagonisten zu reisen. Inzwischen kann ich ganz gut mit dieser Angst umgehen. Ich möchte Bücher, Spiele und Serien beenden und darüber reden.  Wenn ich eine Rezension darüber schreiben kann, fühlt es sich nicht mehr so „unverarbeitet“ an und ich kann all den Gedanken freien Lauf lassen und die Geschichte gebührend abschließen.

Ich habe Angst, enttäuscht zu werden.
Auch ich lasse mich durchaus von Hypes anstecken oder von Social Media beeinflussen. Meist entscheide ich mich bewusst gegen den Hype-Train, aber manchmal packt es mich, ich will aufspringen und mitfahren und jubeln. Wenn das Buch dann aber bei mir zuhause liegt, bekomme ich ein flaues Gefühl im Magen. Was, wenn es doch nicht so gut ist, wie erwartet? Manchmal fange ich auch ein Buch an und bin gleich in den Bann gezogen, traue mich aber nicht so recht weiterzulesen. Aus Angst, dass diese wundervolle Idee irgendwie mittelmäßig oder für meinen Geschmack ungenügend umgesetzt wird? Ich kann es nicht logisch benennen. Denn meine Ängste diesbezüglich sind meist irrational, das weiß ich selbst. Ein Beispiel hierfür ist Walter Moers‘ „Die Stadt der träumenden Bücher“, das mindestens ein halbes Jahr mit dem Lesezeichen auf Seite 100 herumlag. Es hat mir gut gefallen, aber ich hatte wirklich Angst, diese Geschichte nicht zu mögen, weil ich sie so sehr mögen wollte! Auch geplante Re-Reads wie z.B. von Harry Potter liegen wegen diesem Gefühl oft auf Eis, da ich fürchte, mir einiges kaputt zu machen, wenn ich die Geschichte mit meinen heutigen Augen lese.

Ich habe Angst, entmutigt zu werden.
Ja, ich bin selbst Autorin und ich schreibe an meinem Herzensprojekt seit Ewigkeiten. Wird es das Rad neu erfinden? Nein, das hätte es schon vor einigen Jahren nicht. Aber manchmal bin ich eingeschüchtert von Geschichten, die meiner ähnlich sein könnten. Die ähnliche Muster aufweisen, ähnliche Charaktere und ähnliche Motive aufgreifen. Und ich kann nicht anders als mich zu vergleichen und mich zu fragen, ob mein Buch jemals gut genug sein wird, ob es jemals annähernd so toll wird wie manche Juwelen auf dem Buchmarkt. Dabei bin ich gerne begeistert, ich fangirle gerne und ich liebe das Gefühl der Überwältigung, wenn man ein Meisterwerk Zeile für Zeile in sich aufnehmen kann. Meistens lese ich dann absichtlich ein Buch, von dem ich weiß, dass es vermutlich schlecht ist und baue mich dann damit auf, weil ich dann einen Abwärtsvergleich machen kann (Gemein, oder?).

 

Ich glaube, wenn ich eine Leseflaute habe und es nicht an der Uni und dem Überdruss an Fachliteratur liegt, dann lese ich meistens aus diesen Befürchtungen heraus nicht. Wann bin ich nur so ein unsicherer Angsthase geworden? Ich weiß, ich bin nicht immer so. Manchmal kann mich nichts halten und manchmal fällt es schwer, überhaupt die Augen zu öffnen und den Tag zu beginnen. Aber Bücher, Filme und Spiele waren und sind mein sicherer Hafen. Warum nur, habe ich dann auch in diesem Bereich meines Lebens manchmal Angst? Womöglich mache ich mir selbst zu viel Druck, zu viele Gedanken. Lesen soll schließlich Spaß machen, warum also steigere ich mich mit meinem Gedankenkarussell also schon wieder so hinein? Was würde ich denn „kaputt“ machen? Was ist mit dieser Leere, die ich zwar fürchte, die aber niemals in der Form eingetreten ist, in der ich sie befürchtet habe? Bei einigen Geschichten wünsche ich mir so sehr, dass sie weiter gehen. Mein Herz hängt ihnen nach, aber es ist kein negatives Gefühl, keine Belastung. Diese Angst vor manchen Büchern ist so dumm! Aber Gefühle sind nunmal Gefühle und ich kann sie noch so rational analysieren, in ihre Bestandteile auflösen und rumphilosophieren. Das flaue Gefühl, die Unlust, der Unwille bleiben und ich vermeide die Konfrontation.

Meist versuche ich einfach, entspannt zu bleiben. Niemand zwingt mich, diese Bücher zu Ende zu lesen, niemand kann mir aufgrund meiner unbeendeten Bücher irgendetwas. Mir muss das Buch nicht gefallen, nur weil es allen anderen gefällt. Manchmal muss ein bisschen Zeit vergehen, manchmal braucht es einen Tag, an dem ich mehr Mut habe. Meistens, muss ich nur wieder anfangen.

Aktuell geht es mir übrigens mit „Das Lied der Krähen“ von Leigh Bardugo so. Ich bin willens auf den Hypetrain aufgesprungen, der Anfang gefiel mir super (Ich bin so knapp bei Seite 80) und irgendwie habe ich Angst weiterzulesen? Ich habe einerseits Angst, dass die Story nicht so gut wird wie erwartet und andererseits fürchte ich, komplett eingesogen zu werden und sie so sehr zu lieben, dass das Warten auf Band 2 unerträglich wird. Oder dass ich die Geschichte so toll finde, dass sie mein eigenes Werk in den Schatten stellt und ich wieder alles über den Haufen werfe, weil ich neue Aspekte gefunden habe, die ich absolut liebe und in irgendeiner Form verarbeiten will. Alles irgendwie auch ein großes „Mimimi“. Aber ich fühle mich schon viel besser, nachdem ich diesen Beitrag geschrieben habe.

Kennt ihr die Gefühle, was ich beschrieben habe oder ist das für euch vollkommen neu? Vielleicht habt ihr ja schon eine Methode gefunden, um damit umzugehen? Was denkt ihr darüber? Ich bin neugierig! Schreibt mir gerne einen Kommentar zu dem Thema.

Tüdelü,
eure Babsi


Titelbild:  Martin Kníže von Unsplash

 

Kommt an Bord:

Für dich vielleicht ebenfalls interessant...

Subscribe
Benachrichtige mich zu:
8 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
View all comments
Joan Quade
6 Jahre her

Ich denke, man sollt den Anspruch ablegen, dass das Erste Buch ganz großartig wird. Ich kenne keine angesehenen oder erfolgreichen (oder beides) Autoren, dessen erstes Werk so gut war, dass es sofort die Genialitäts-Skala gesprengt hat. Ich glaube sogar, dass man erst mit dem Beenden mehrere Romane lernt, wie es geht, ein gutes Buch zu schreiben. Erst einmal muss man die Hürde überwinden, überhaupt ein Buch zu schreiben. Natürlich gibt es Ausnahmen – man kann z.B. wie Marcel Prost ein (halbes) Leben lang an einem Roman herumfeilen, bis es das perfekte Werk ist. jeder, wie er mag. Ansonsten ist an… Read more »

6 Jahre her

Hey Babsi! Du sprichst mir mit deinem Beitrag direkt aus dem Herzen! Ich dachte ich sei die Einzige die ab und zu Angst vor ihren Büchern hat. Beruhigend zu wissen, dasa es da draussen noch andere gibt 🙂 Besonders bei Hype Büchern geht es mir genau gleich. ‚The Hate U Give‘ liegt seit Wochen ungelesen in meinem Bücherregal, reingelesen habe ich schon ein bisschen, aber eben nicht mehr. Ich habe zu viel Respekt und Angst davor, dass es mir nicht gefällt. Gerade weil das Buch so wichtig ist, habe ich einfach etwas Angst. Danke für diesen tollen Beitrag! Liebste Grüsse… Read more »

Anonym
6 Jahre her

Ich erkenne mich bei oben beschriebenen teilweise wieder. Meistens habe ich da auch das Problem die Geschichte abzuschließen oder erst anzufangen. Meine Gründe sind hierbei, dass ich Angst vor einen unbefriedigenden Ende habe, was mir die ganze Geschichte zum Schluss doch noch ruinieren könnte, was wohlgemerkt bisher noch nie der Fall war, aber diese Sorge spielt schon mit, gerade bei Storys die mich emotional sehr aufwühlen. Beim anfangen von Büchern/Serien usw. ist es hauptsächlich, wenn es schwierige Themen beinhaltet. Ich lese z.B. furchtbar gerne LGBT+ Romane, habe dann aber doch jedesmal die Befürchtung, das der Autor o. die Autorin die… Read more »

Sina
6 Jahre her

Zum Thema Entmutigung: Ich schreibe jetzt seit einem halben Jahr an meinem ersten Buch (ist aber die ca 12te Version, an der Geschichte feile ich, seit ich 19 bin, knapp 4 Jahre) und komme endlich dem Ende entgegen und ich bin manchmal echt zufrieden damit. Bis ich darüber schlafe und am liebsten alles wieder löschen würde. Vor allem, wenn ich gerade ein richtig tolles Buch (wie „Der Name des Windes“ von Patrick Rothfuss) beendet habe, komme ich mir so richtig schlecht vor. Ich sage mir immer wieder, dass die Zweifel normal sind, aber das macht es natürlich nicht einfacher. Meine… Read more »

6 Jahre her

Hey Babsi, Einerseits verstehe ich das Gefühl, andererseits auch wieder nicht … Bücher wie Harry Potter würde ich total gerne noch einmal „zum ersten Mal“ lesen, einfach um alles wieder zu erleben, aber andererseits habe ich bei jedem Lesemarathon wieder einige neue Gedanken und Eindrücke (deshalb habe ich auch das Gefühl, die meisten Menschen unterschätzen rereads immens). Abgesehen davon bin ich vielleicht zu gierig auf Bücher, auf mehr und bessere Geschichten, um mitten in einem Buch Pause zu machen. 😀 Was das eigene Schreiben betrifft, diese Unsicherheit hatte ich früher auch, aber sie ist auf Dauer viel zu toxisch (war… Read more »