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[Rezension] Kerstin Gier – Für jede Lösung ein Problem

Hallo ihr bezaubernden Menschen, ich wünsche euch ein Frohes Neues Jahr!

Da dies meine erste Rezension auf dem Blog ist möchte ich euch kurz mein Bewertungssystem erklären.

Ihr findet die Rezension auch als Video auf meinem Youtube-Kanal!

Und zwar bewerte ich Bücher unter folgenden 5 Gesichtspunkten:

Design/Gestaltung – Das Auge liest mit!

Schreibstil – flüssig, dem Thema angemessen, zu verschachtelt?

Inhalt – Wie spannend, wie originell, wie mitreißend?

Charaktere – Sympathisch, dreidimensional, stereotyp?

Ende – überraschend, befriedigend, fieser Cliffhanger?

Aus diesen 5 Kategorien ergibt sich eine Gesamtwertung und die Bewertung reicht von 1—5 Seesterne.

Meine Rezensionen werden so gut es geht spoilerfrei sein! Gewisse Andeutungen bzw. Meinungen zu den Charakteren wird es geben, sonst könnte ich ja gar nicht über das Buch reden!

Falls ich an einer Stelle sehr viel vorwegnehme oder doch mal unfassbar dringend über etwas diskutieren möchte gibt es vorher eine Extra Spoiler Warnung für alle, die sich den Lesespaß nicht verderben möchten!

Kerstin Gier – „Für jede Lösung ein Problem“

Da in dem Buch die Themen Depression und versuchter Selbstmord aufkommen hier eine kurze Warnung für die Leute, denen das Thema nahe geht.

Das Buch ist erschienen im Lübbe Verlag und kostet in der Hardcover Version, die ich rezensiere 16€.

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Worum geht’s?

Gerri, eine Autorin, die für einen Verlag für Heftromane und Taschenbücher kitschige Liebesromane schreibt fällt nach dem drohenden Verlust ihres Jobs in ein tiefes Loch. Da sie weder privat, romantisch und nun auch beruflich überhaupt nicht zufrieden ist googlet sie und diagnostiziert sich selbst als depressiv.

Ihre Familie hat sich immer für sie geschämt, dass sie Autorin geworden ist und ihr Studium dafür geschmissen hat. Sie möchte sich keine Hilfe holen, da sie immer das Gefühl hatte, den Ansprüchen ohnehin nicht gewachsen zu sein. Deshalb beschließt sie sich umzubringen.

Mit Alkohol und Schlaftabletten.

Vorher schreibt sie Briefe an ihre Familie, Bekannten und Freunde, was sie wirklich über sie denkt. Sie möchte ihren Selbstmord ins Szene setzen, tragisch – wie in einem ihrer Romane. Außerdem möchte sie ihre beste Freundin nicht belasten, ein paar Leuten gute Wünsche aussprechen und ein paar Bekannten so richtig die Meinung geigen.

Da die Schlaftabletten aber durch wirre Umstände im Staubsauger einer Putzfrau landen muss Gerri sich nun damit auseinandersetzen, dass alle Bescheid wissen. Ihre Eltern, Schwestern, Freunde, ihr Exfreund, der nette Typ aus der Clique, die nervigen Tanten, der Typ aus der Singlebörse und ihr Chef mit dem Knackpopo.

Wie geht es weiter mit Gerri? Was wird aus ihren Beziehungen, wer zeigt sein wahres Gesicht und findet sie ihren Seelenfrieden?

Genre: Unterhaltungsroman

Design:

Volle Punktzahl für die Hardcoverversion: wunderschön, passt super – das ist für mich gelungenes Buchdesign. Überall sind verspielte Illustrationen die zum jeweiligen Abschiedsbrief passen und die Briefe sind in kleinen bunten Umschlägen zum Herausnehmen! Einfach total gut gelungen und ein Leseerlebnis!

Schreibstil:

Kerstin Gier schreibt flüssig, locker-flockig und sehr humorvoll. Mir gefällt ihre Leichtigkeit sehr, dennoch schafft sie es auch an den ernsten Stellen in diesem Buch eine gute Balance zu finden. Man merkt gar nicht, dass man liest. Anspruchsvoll ist der Schreibstil nicht unbedingt, aber ausreichend wortgewandt und verspielt und für das Buch sehr angemessen.

Inhalt:

Man merkt, dass Kerstin Gier bezüglich Depressionen einiges recherchiert hat. Ich fand das sensible Thema war gut umgesetzt und gut eingepasst in den doch eher luftigen Stil. Es gab einem lockeren Unterhaltungsroman eine interessante Tiefe und hat auch die Handlung maßgeblich mitbestimmt.

Die Kapitel werden immer von den Briefen abgetrennt, die sehr lustig zu lesen sind.

Es beginnt nicht direkt mit dem gescheiterten Suizidversuch sondern erörtert, wie es überhaupt dazu kam.

Ab dem zweiten Drittel geht es um ihren Weg zurück in den Alltag und die zwischenmenschlichen Beziehungen, die durch den teilweise sehr schonungslosen Inhalt der Briefe maßgeblich verändert wurden. Natürlich erfahren wir auch wie es mit Gerri weitergeht, wie sie das alles bewältigt und ob sie am Ende ihr Happy End findet.

Ich fand den Inhalt sehr erfrischend umgesetzt und es war mutig sich an so ein Thema zu wagen. Manche Briefe enthielten mir persönlich zu wenig Pfeffer. Sie waren amüsant zu lesen, teils freundlich entschuldigend, teils Stinkefinger zeigend aber dennoch war für mich zu wenig Wut dahinter, die Gerri ja doch irgendwo angestaut hatte.

Gerri ist zwar eine höfliche Persönlichkeit aber für einige Briefe hätte ich mir manchmal etwas mehr BÄM gewünscht.

Am Ende des Buches kommen noch ein paar Antworten in Briefform zurück und die sind teilweise zum Schießen!

Das Thema Depression wurde nur angeschnitten, Gerri hat aber einige Symptome gezeigt. Den „Heilungsprozess“ fand ich nicht ganz so gut gelungen. Dazu aber später mehr.

Charaktere:

Gerri ist mir als Autorin selbst natürlich sehr sympathisch gewesen, obwohl wir sonst grundverschieden sind. Sie ist strukturiert und ordentlich, ihr liegt viel an ihrer Familie, aber sie traut sich oft nicht, auf den Putz zu hauen oder ihre Meinung zu sagen. Das zieht sich durch ihr ganzes Leben. Kontrolle, Ordentlichkeit und möglichst wenig Arbeit für andere machen. Sie hat Angst jemandem auf die Füße zu treten und was die Leute von ihr Denken. Im Laufe des Buches entwickelt sie sich gezwungenermaßen und sieht die Vorteile und die Nachteile von schonungsloser Ehrlichkeit.

Gerris Familie ist bunt durchgemischt, chaotisch und etwas anstrengend. Genau wie Gerri es empfindet. Ihre Mutter ist durch den ständigen Perfektionismus recht unsympathisch. Gerris Schwestern könnten verschiedener gar nicht sein und deren Kinder und Partner bringen auch Witz und Komplikationen mit in die Geschichte. Alles in allem sind sie vor allem ein großer Humorfaktor.

Gerris Papa hat gegen Ende des Buches auch für die absolute Lieblingsszene – und den Punkt an dem ich weinen musste – gesorgt.

Gerris Freunde sind vielseitig und bereichern das Buch mit ihren verschiedenen Dynamiken, z.B. die energetische Charlie, die Sekt-Sekretärin, der aufdringliche Ole. Bei manchen fragt man sich jedoch, warum sich Gerri bzw. die Clique überhaupt mit ihnen abgibt.

Die Charaktere sind entsprechend ihres Auftauchens im Buch ausgearbeitet. Man hat das Gefühl gehabt, den ein oder anderen Typus genau in dieser Art auch aus dem eigenen Leben zu kennen, was es sehr witzig gemacht hat.

Bei manchen Nebencharakteren hat man aber das Gefühl gehabt, dass sie einfach nur gemein sind, damit Gerri einen Grund hat um traurig zu sein – nicht weil es besondere Gründe dafür gibt. Es fiel nicht so störend auf, hätte aber bei Kerstin Giers Liebe zu ulkigen Details wirklich auch ein bisschen besser sein können.

Ende:

Das Ende. Ja, was soll ich sagen. Jeder hat absolut bekommen, was er verdient hat. Der Roman hat zwar keinen Anspruch auf medizinische, psychologische Korrektheit, aber das Ende erschien mir für die Thematik nicht ganz angemessen.

Achtung Spoiler:

Markiert den Text, um ihn zu lesen. 🙂

Es war ein schönes, fröhliches Ende. Keine Frage. Es war einem ganz warm ums Herz und man hatte endlich das Gefühl, dass Gerri Gerechtigkeit widerfährt.

Aber es ging mir zu glatt auf. Zu schön, zu einfach. Ich hätte mir mehr Nachwirkungen auf Gerris Seite gewünscht. Es wirkte teilweise so als sei ihre Depression so mir nichts dir nichts verschwunden, sobald Romanze und Job winken. Auch, dass sie keine Therapie, keine Medikamente in Betracht gezogen hat bzw. vehement ablehnte fand ich nicht so angebracht. Das ist schön, das ist ideal, aber für mich einfach etwas realitätsfremd. Ich weiß nicht, Kerstin Gier schreibt auch, dass sie sehr zögerlich war beim Schreiben und niemanden vor den Kopf stoßen wollte bzw. die Krankheit herunterspielen. Das hat sie auch nicht, aber dieses perfekte Happy End, das war für mich nicht befriedigend. Ich hätte mir ein gutes, hoffnungsvolles Ende gewünscht ohne das ideale Leben. Dass man auch mit Macken gut weiterleben kann.

Spoiler Ende.

Fazit:

Ich mochte das Buch und habe es sehr gerne gelesen.

Ich liebe die Aufmachung und es ist ein tolles Buch zum zwischendurch und immer wieder lesen, da es schöne und wichtige Botschaften für das eigene Leben enthält.

Die Gesamtwertung:

4,5seesterne.png

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[…] Da ich bereits viele Bücher mit ähnlicher Prämisse gelesen habe, kann ich nicht umhin, ein bisschen zu vergleichen. Wo „Mängelexemplar“ von Sarah Kuttner für ein breites Schmunzeln gesorgt hat, war der einzige Gesichtsmuskel der sich beim Humor dieses Buch bewegte, der Muskel, der eine Augenbraue hochzieht. Wenig feinsinnig, sondern mehr im Stile von „Sex and the City“ gackert Hannah mit ihren Freundinnen wie Hühner auf der Stange. Während Matt Haig Lebensweisheiten in philosophische Geschichten einbettet, klatscht uns die Stalker Oma Beate einfach zwei Seiten Text hin, weil sie ja so viel Lebenserfahrung hat. Und eine sympathischere Protagonistin, die trotz… Read more »