Psychologie

Trauma Dumping – was ist das?

Trauma Dumping – was ist das?

Ich habe auf twitter einen Thread dazu geschrieben und hab ihn gerade wieder ewig gesucht. Damit ich das nächste Mal einen knackigen Link habe, dachte ich mir, ich poste es hier auf dem Blog und füge noch ein paar Dinge hinzu. (Twitter Edit Button wann?)

Was ist Trauma Dumping?

Dampf ablassen muss jeder Mal. Es gibt jedoch eine klare Grenze zum sogenannten „Trauma Dumping“. Es beschreibt, dass man in einem ungeeigneten Moment ganze Ladungen an sensiblen und traumatischen Infos & Erfahrungen teilt – mit Personen, die gar nicht damit rechnen und die vielleicht nicht in einer engen Beziehung zu uns stehen. Wenn man sich nicht direkt gegenüber sitzt, sondern auf Distanz übers Internet kommuniziert, fällt es vielen leichter, sich zu öffnen. Gleichzeitig fallen oft soziale Hinweise weg, wenn eine Grenze überschritten wird.

Parasoziale Beziehung

Das Phänomen taucht vermehrt im SoMe Bereich & Twitch auf. Es geht oft Hand in Hand mit parasozialen Beziehungen. Fans können am Leben der streamenden Person teilhaben, es beeinflussen & erhalten unmittelbare Reaktionen und Aufmerksamkeit – gerade auch bei kleineren Communities. Jemand erinnert sich an dich, fragt wie es dir geht, und ist durch regelmäßigen Content vielleicht ein Teil deines Lebens. Aber diese Beziehung ist in der Regel einseitig. Streamende beschäftigen sich natürlich oft auch mit Viewer*innen und regelmäßigen Gästen. Aber für sie ist klar, in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Zuschauende, Konsument*innen, Fans.

Natürlich gibt es auch Fälle, in denen engere Freundschaften, vielleicht sogar Beziehungen einstehen, aber das ist eher die Ausnahme. Dennoch ist weder Twitch noch Discord eine Privatunterhaltung. Und hier beginnen manchmal die Grenzen zu verschwimmen. Streamer*innen fragen oft nach, wie es ihren Zuschauern geht. Und manche Leute schütten ihr ganzes Herz aus, von privaten Problemen, über die Vergangenheit oder intime Details aus Leben und Gefühlswelt.

Verantwortung als Streamer*in?

Dass man als streamende Person diese sensiblen Dinge einer anderen Person nicht gerne im Chat haben möchte, bedeutet nicht, dass es einem egal ist.

Es bedeutet nur, dass 

  1. es nicht der richtige Ort ist, um über traumatische Erfahrungen oder Lebenstiefpunkte zu reden und
  2. das ungefragte Teilen solcher Infos die Personen überraschen, überfordern oder sogar triggern kann.

Einen Ort zu schaffen, an dem man offen mit der Community über Gefühle reden kann, psychische Krankheiten zu normalisieren & eine gesündere Kommunikationskultur zu etablieren sind tolle Anliegen und viele Streamende machen einen großartigen Job. Trauma Dumping schadet diesem Ziel aber.

[CN Emetophobie]

Vielleicht fühlt man sich als Dampf ablassende Person erleichtert, aber es ist ein bisschen wie anderen Leuten vor die Füße zu kotzen und dann wegzugehen. Vielleicht geht es kurzfristig besser, aber alle Umstehenden müssen nun damit leben oder es selbst wegräumen.

Wie soll eine streamende Person damit umgehen?

Die Nachricht zu ignorieren könnte natürlich kalt und gemein wirken, aber ein Stream ist keine Therapiesession. Grenzen zu setzen ist unfassbar wichtig. Ein Stream ist Unterhaltung, eine Show & ein Ort für viele und um abzuschalten. Ob ihr klare Worte findet, vielleicht einen !mentalhealth Command einrichtet, der auf weitere Hilfen verweist oder auf dem Discord einen Auskotz-Kanal einrichtet und damit einen Rahmen gebt, bei dem jede Person sich darauf einlassen kann, wenn sie das möchte – das liegt ganz bei euch.

Als letzter Ausweg bleibt natürlich übrig die Person zu bannen. Und das ist vollkommen legitim, wenn jemand eure Grenzen überschreitet.

Wie vermeide ich trauma dumping bei mir selbst?

Kein „trauma dumping“ zu betreiben, bedeutet nicht, dass man nicht sagen darf, wenn man einen schlechten Tag hat. Fragt euch vielleicht einfach, ob ihr beim Friseur oder beim Bäcker oder einer wildfremden Person im Café all diese Informationen teilen würdet. Immer wieder traumatische/verletzende Inhalte zu wiederholen & ungefiltert zu teilen, kann außerdem negative Folgen auf die eigene psychische Gesundheit haben.

Was bedeutet triggern? Was sind sensible Inhalte?

Das Wort Trigger entstammt aus der Psychologie, aus dem Bereich der Traumata. Bestimmte Reize oder Situation lösen bei einer traumatisierten Person psychische und körperliche Symptome aus. Flashbacks, Panikattacken, Angstzustände, Dissoziation uvm. – diese können lebensbedrohlich sein. Trigger sind sehr spezifisch, das heißt aber nicht, dass es nicht Themen gibt, die grundsätzlich bei vielen Menschen sehr sensibel sind. Dazu gehören z.B. Tod, Tod eines lieben Menschen, Haustiers, Suizid, Vergewaltigung oder Sucht.

Mehr zum Thema Trigger findet ihr z.B. in diesem Artikel.

Hilfe an den richtigen Orten suchen

Bitte sprecht mit Freund*innen, die das explizit(!) erlauben, *wenn* sie die Kapazitäten haben. Hierbei ist es wichtig nachzufragen, z.b. „Mir gehts grad nicht so gut und ich muss das loswerden. Kannst du dir das jetzt anhören oder ist das zu viel?“. Oder ihr sucht euch professionelle Hilfe. Gerade wenn es euch über einen längeren Zeitraum schlechtgeht. Denn streamende Personen, Freund*innen oder Leute aus dem Internet können euch zwar moralisch unterstützen, aber nicht Verantwortung für eure mentale Gesundheit übernehmen.

Wenn ihr dieses Gedanken trotzdem unbedingt teilen wollt, schreibt sie vielleicht in eine Notizapp oder Tagebuch. Oder benutzt die Telefonseelsorge, die gibt’s auch als Chat. Dort können geschulte Personen adäquat auf euch reagieren. Ihr seid nicht verantwortlich für die schlimmen oder traumatischen Dinge, die euch widerfahren. Aber man kann lernen, damit umzugehen, sodass man sich selbst und anderen nicht potenziell schadet.

(p.s.: Ich weiß wie schwierig, es ist oder sein kann, in Deutschland Hilfe zu finden. Das Gesundheitssystem bietet nicht genug Prävention, Behandlungsangebote oder Therapieplätze. Die erste Anlaufstelle ist meistens eure Hausarztpraxis und von dort geht es weiter. Ein guter Punkt um Hilfe zu finden sind Terminstellen der Kassenärztlichen Vereinigung oder Psychotherapie-Ausbildungsinstitute – dort fangen Therapeut*innen in Ausbildung zu unterschiedlichen Zeiten mit ihren Praxisstunden an. Deren Arbeit wird zusätzlich von Supervisor*innen überwacht, ist also qualitativ extrem hochwertig)

Schlusswort

Im Internet sieht man oft ungewollt viele unschöne Dinge, die man unterbewusst verarbeitet/verarbeiten muss. Achtet darauf, wie ihr mit eurem emotionalen Ballast umgeht und wo ihr ihn abladet. Nicht nur für euch selbst sondern auch für eure Mitmenschen. Um es mit Alligatoah zu sagen:

„Push, push, ich scroll‘ ein Jahrhundert im Bruchteil einer Sekunde ins Unterbewusstsein (…) Bloß ein Schock, doch noch Jahre danach sind unsre Herzen Porzellanläden – Nachbeben. Pass auf deine Seele auf!“

 

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Jolene Meyerhoff
3 Monate her

Ja nee klar. Die ganzen Schneeflocken sind zu zart, um ohne permanente Triggerwarnungen durchs Leben zu kommen 🙄 Sie selbst sind der Nabel der Welt und alle müssen auf Ihre Befindlichkeiten Rücksicht nehmen, aber wehe, andere Menschen äußern Gefühle: das ist dann Trauma Dumping.

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5 Monate her

Danke für diesen Blog Eintrag, wäre es für dich ok wenn ich einen Link dazu ein bette?
Damit ich zb andere aufklären kannwas gemeint ist.

Bin auch jmd der sich oft ausheult, aber gelernt habe mich zurück zuhalten und nur mit Freunden wirklich über meine tief sitzenden Probleme zu reden (natürlich auch mit meiner therapeutin)

Daher, danke.

Lg
Eryl

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1 Jahr her

Den Song NACHBEBEN finde ich so genial;)

LG

Klia

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