Auf dieses Buch wurde ich durch den Deutschen Buchpreis 2017 aufmerksam. Meistens kann mich deutsche Literatur, die im Feuilleton diskutiert wird, nicht begeistern. Experimentelle, „hohe“ Literatur – so schön die Sprache ist, wenn die Geschichte öde ist, kann ich nichts damit anfangen. „Die Kieferninseln“ war eines der wenigen Bücher der Shortlist, die mich dennoch neugierig machte.
Durch das Portal NetGalley bekam ich freundlicherweise ein Ebook als Rezensionexemplar zur Verfügung gestellt.
Anzeige
- Autorin: Marion Poschmann
- Titel: Die Kieferninseln
- Verlag: Suhrkamp
- Genre: Erzählung, Reise?
- Gebunden*: 20€, Ebook*: 16,99€
Worum geht’s?
Gilbert bricht nach einem Traum überstürzt auf, lässt seine Frau zurück und macht sich auf den Weg nach Japan. Dort möchte er den Spuren des großen Dichters Basho folgen, dem malerischen Naturpfad hin zu den berühmten Kieferninseln folgen, um mit sich selbst und der Welt ins Reine zu kommen. Unterwegs begegnet er dem Studenten Yosa, den er vom Selbstmord abhalten kann. Gemeinsam reisen sie ein Stück des Weges und besuchen unter anderem den berüchtigten Aokigahara, ein Wald am Grunde des Bergs Fuji, in den sich besonders viele Leute zurückziehen um ihrem Leben ein Ende zu setzen.
Meine Meinung:
Die Geschichte klang melancholisch und interessant, obwohl mal wieder ein Herr mittleren Alters aufbricht weil er scheinbar eine midlife crisis hat. Ich liebe Japan und ich studiere Psychologie, weshalb mich Charaktere wie Yosa immer irgendwie interessieren und meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das Cover besticht durch ein simples, aber schönes Wellendesign im Stil des großen Malers Hokusai. Das Buch ist nicht besonders dick und ich habe es unterwegs auf meinem E-Reader gelesen.
Marion Poschmanns Schreibstil ist hochwertig, malerisch und
poetisch, lässt sich aber dennoch sehr gut lesen. Man merkt deutlich, dass man es nicht unbedingt mit reiner Unterhaltungsliteratur zu tun hat – spätestens wenn man auf die Seite stößt, auf der lauter Bäume aufgezählt werden. Dennoch verdreht man selten die Augen aufgrund überkandidelten Blablas.
Inhaltlich war ich ein wenig überrascht wie schnell und spontan Gilbert aufbrach und worüber er im Lichte seiner Situation nachdachte. Sein nüchterner und doch verträumter Blick auf die japanische Kultur beweist viel Fingerspitzengefühl und doch eine genaue Beobachtungsgabe. Immer wieder werden Anekdoten und Informationen über den Dichter Basho und die japanische Kultur eingestreut, die von guter Recherche bzw. Erfahrung der Autorin sprechen. Niemals wird dabei jedoch das Land der aufgehenden Sonne in den Dreck gezogen, es ist vielmehr eine Analyse und ein Vergleich mit der europäischen Kultur. Gilbert zieht für sich seine Schlüsse.
Der Student Yosa erscheint wie eine blasse, kümmerliche Gestalt, den Gilbert zumindest gedanklich weniger fürsorglich behandelt als vielleicht nötig, wenn man mit jemandem spricht, der sich auf die Gleise legen wollte. Dennoch bilden die beiden ein interessantes Gespann und es ergibt sich eine interessante Dynamik. Immer wieder sind kleine Haikus eingebaut, die die beiden dichten oder die vom großen Dichter Basho höchstselbst stammen.
Interessant ist auch das Forschungsthema zur Bartkultur, die Gilbert immer im Hinterkopf behält und dem Leser gerne einen Einblick in die verschiedenen Darstellungen und kulturellen Bedeutungen von Bärten gibt. Als Mitglied der BartBroAuthors war dies ein weiterer Punkt an dem Buch, der mich zum Schmunzeln brachte. Und ein wenig japanische Mystik kommt hinzu. Thematisch wäre das Buch also genau meins gewesen. Ganz überzeugen konnte es mich dennoch nicht. Die feine Sprache und die schöne Symbolik können manche Ungereimtheiten nicht überdecken. Gilberts Motive, seine Gedanken erschließen sich mir nicht wirklich – vielleicht weil wir sehr unterschiedliche Menschen sind. Letztlich lässt mich das Buch mit ein paar Fragen, einem Stirnrunzeln und ein wenig Fernweh zurück.Vielleicht habe ich auch irgendeine Symbolik nicht ganz verstanden, wer weiß.
Fazit:
Es hat mich unterhalten, aber nicht von den Socken gehauen. Für mich war das Buch eine gelungene Abwechslung, ein poetischer Ausflug nach Japan, eine etwas andere Sicht auf das Land der Gegensätze. Die Sprache und die Erzählung sind wunderschön, aber die Geschichte an sich bleibt für mich ein wenig zu blass. Dennoch kann ich mir vorstellen, das Buch nochmal zu lesen, vielleicht um etwas mehr zu entdecken als beim ersten Lesen. Das Buch bekommt 3,5 Seesterne von mir.
Weitere Stimmen zum Buch:
mit * gekennzeichnete Links sind amazon affiliate Links. Falls ihr ein Produkt über diesen Link kauft, entstehen für euch keinerlei Mehrkosten, aber ich erhalte einen kleinen Obulus. Wenn ihr meinen Blog mögt und mich unterstützen wollt, ist das eine super Möglichkeit.
Kommt an Bord:
[…] Marion Poschmann: Die Kieferninseln […]